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neumen:neuma

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neumen:neuma [2019/09/13 14:51]
xaverkainzbauer [NEUMA]
neumen:neuma [2024/02/28 08:51] (aktuell)
xaverkainzbauer [SCANDICUS]
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 +[[neumen:semiologia|⬅️]] **SEMIOLOGIA**<fc #ffffff>x</fc>
 ====== NEUMA ====== ====== NEUMA ======
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 Eine Neume (griech.: Wink, das Zunicken) ist das Handzeichen, mit dem der Scholaleiter anzeigt, welche Art von Silbe zu singen ist. //Eine Neume// ist also //eine Silbe//, egal wie viele "Töne" oder Stufen diese Silbe hat. Davon abgeleitet bezeichnet man das schriftliche Zeichen für eine Silbe als Neume, vor allem bei den adiastematischen Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts. Sobald die Neumen auf Linien gesetzt werden und ihre artikulatorische Aussage verlieren, ist die Bezeichnung der Noten als "Neume" fragwürdig und eher museal.  Eine Neume (griech.: Wink, das Zunicken) ist das Handzeichen, mit dem der Scholaleiter anzeigt, welche Art von Silbe zu singen ist. //Eine Neume// ist also //eine Silbe//, egal wie viele "Töne" oder Stufen diese Silbe hat. Davon abgeleitet bezeichnet man das schriftliche Zeichen für eine Silbe als Neume, vor allem bei den adiastematischen Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts. Sobald die Neumen auf Linien gesetzt werden und ihre artikulatorische Aussage verlieren, ist die Bezeichnung der Noten als "Neume" fragwürdig und eher museal. 
  
-Neumen werden üblicherweise nach ihrer Tonanzahl definiert, was nur dann sinnvoll sein kann, wenn die Töne gleich lang wären, wie es der Äqualismus des 20. Jahrhunderts (Solesmes) postuliert hat. Seit mit Hilfe der Neumen von St. Gallen und Laon der Äqualismus überwunden wird, und ein nicht taktierendes sondern //sprechendes Singen// Platz greift, das den Unterschied zwischen //kurrenten// und //nicht kurrenten// Neumen akzeptiert, sodass eine "episemierte Virga" (Eintonneume) je nach Kontext sogar länger dauern kann als eine "Tristropha" (Dreitonneume), ist die Tonanzahl als Maß der Neume obsolet. Die Tonanzahl einer Neume zum Maß zu nehmen ist so zielführend, wie das Gewicht der gesprochenen Silben nach ihrer Buchstabenanzahl zu werten. Wir gehen von den **<fc #ff0000>TONSTUFEN</fc>** aus (und selbst das kommt bald an seine Grenzen).+Neumen werden üblicherweise nach ihrer Tonanzahl definiert, was nur dann sinnvoll wäre, wenn die Töne gleich lang wären, wie es der Äqualismus des 20. Jahrhunderts (Solesmes) postuliert hat. Seit auf Grund der Neumen von St. Gallen und Laon der Äqualismus überwunden wird, und ein nicht taktierendes sondern //sprechendes Singen// Platz greift, das den Unterschied zwischen //kurrenten// und //nicht kurrenten// Neumen akzeptiert, sodass eine "episemierte Virga" (Eintonneume) je nach Kontext sogar länger dauern kann als eine "Tristropha" (Dreitonneume), ist die Tonanzahl als Maß der Neume obsolet. Die Tonanzahl einer Neume zum Maß zu nehmen ist so zielführend, wie das Gewicht der gesprochenen Silben nach ihrer Buchstabenanzahl zu werten. Wir gehen von den **<fc #ff0000>TONSTUFEN</fc>** aus (und selbst das kommt bald an seine Grenzen).
  
 **<fc #ff0000>EINE NEUME IST EINE SILBE</fc>**, alle "musikalischen" Vorurteile sind wegzulassen. **<fc #ff0000>EINE NEUME IST EINE SILBE</fc>**, alle "musikalischen" Vorurteile sind wegzulassen.
-Um Wittgensteins "a rose is a rose is a rose" abzuwandeln: "Eine Neume ist eine Silbe ist eine Neume ist eine Silbe ist eine Neume". Die Neume wird nicht durch das graphische Zeichen, seine "Noten" ihre optische Gestalt, sondern allein durch die zu sprechende Silbe ihre Klanggestaltdefiniert.+"Eine Neume ist eine Silbeeine Silbe ist eine Neume". Die Neume wird nicht durch das graphische Zeichen, seine "Noten" – ihre optische Gestalt , sondern allein durch die zu sprechende Silbe – ihre Klanggestalt – definiert.
  
 **<fc #ff0000>EINE NEUME BEGINNT NICHT MIT DER ERSTEN NOTE, SIE HÖRT MIT DER LETZTEN NOTE AUF</fc>**.\\ **<fc #ff0000>EINE NEUME BEGINNT NICHT MIT DER ERSTEN NOTE, SIE HÖRT MIT DER LETZTEN NOTE AUF</fc>**.\\
-Die Anregung zu diesem Axiom ging von L. Agustoni aus. Als er bei den Gregorianikkursen in Essen von seinem wohl missglückten Lehrbuch von 1963/1968 sprach, stellte er fest: "Aber ich habe darin nichts Falsches gesagt – außer dem einen Satz 'Eine Neume beginnt mit der ersten Note' – das ist falsch." Entgegen neuzeitlichem Denken haben wir frühmittelalterliche Strukturen (Melodien, Neumen) vom Ende her zu denken: "in finis iuducabitur".+Die Anregung zu diesem Axiom ging von L. Agustoni aus. Als er bei den Gregorianikkursen in Essen von seinem seiner Meinung nach missglückten Lehrbuch von 1963/1968 sprach, stellte er fest: "Aber ich habe darin nichts Falsches gesagt – außer den einen Satz 'Eine Neume beginnt mit der ersten Note' – das ist falsch." Entgegen neuzeitlichem Denken haben wir frühmittelalterliche Strukturen (Melodien, Neumen) vom Ende her zu denken: "in finis iudicabitur".
  
 Einleitung Hradetzky-Marsch Einleitung Hradetzky-Marsch
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 **<fc #ff0000>SINGEN SIE SCHMUTZIG, ERST WENN SIE SCHMUTZIG SINGEN, IST ES SCHÖN</fc>**.\\ **<fc #ff0000>SINGEN SIE SCHMUTZIG, ERST WENN SIE SCHMUTZIG SINGEN, IST ES SCHÖN</fc>**.\\
-L. Agustoni hat mit diesem Satz bei den Gregorianikkursen in Essen ein grundsätzliches Problem zwischen romanischer und germanischer Denkweise angesprochen. Die Reaktion der deutschen Studenten ließ nicht lange auf sich warten: eine Minute vor Ende der Vorlesung, ein //Entweder - Oder// aus Zeitnot erzwingend, kam die Frage: "Ist das nun ein Ton oder nicht?". Sprechende Melodien nach "Tonanzahl" messen zu wollen (deutscher Klavierspieler-Zugriff), ist der falsche (neuzeiltich, technische) Ansatz. Stufen, egal mit welcher "Schmutzigkeit" erreicht (italienischer Violinisten-Zugriff), sind der bessere Ansatz Sprachmelodien zu verstehen.+L. Agustoni hat mit diesem Satz bei den Gregorianikkursen in Essen ein grundsätzliches Problem zwischen romanischer und germanischer Denkweise angesprochen. Die Reaktion der deutschen Studenten ließ nicht lange auf sich warten: eine Minute vor Ende der Vorlesung, ein //entweder – oder// aus Zeitnot erzwingend, kam die Frage: "Ist das nun ein Ton oder nicht?". Sprechende Melodien nach "Tonanzahl" messen zu wollen (deutscher Klavierspieler-Zugriff), ist der falsche (neuzeitlich technische) Ansatz. Stufen, egal mit welcher "Schmutzigkeit" erreicht (italienischer Violinisten-Zugriff), sind der bessere Ansatz Sprachmelodien zu verstehen.
  
 Das hat weitreichende Konsequenzen für das Verständnis der Quellen und ihre Interpretation,\\ Das hat weitreichende Konsequenzen für das Verständnis der Quellen und ihre Interpretation,\\
-das stellt das etablierte System der gregorianischen Begriffe (die opinio communis) in Frage \\+das stellt das etablierte System der gregorianischen Begriffe in Frage \\
 und erfordert einen völligen Neuansatz, basierend auf den Erkenntnissen von Eugene Cardine, Rupert Fischer, Luigi Agustoni und Godehard Joppich. und erfordert einen völligen Neuansatz, basierend auf den Erkenntnissen von Eugene Cardine, Rupert Fischer, Luigi Agustoni und Godehard Joppich.
  
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
  
-• Grundsätzlich ist bei der kurrenten (jeder) Neume der //erste Ton schwach// <fc #ff0000>INITIO DEBILIS SEMPER</fc>. Dies entgegen dem romantischen Musikverständnis, wie es den Neumen Joseph Pothiers zugrundeliegt. Erst auf der Basis eines grundsätzlichen mehr oder weniger schwachen Anfangs //jeder// Neume,kann die spezielle Notation einer "Anfangsartikulation" sinnvoll sein. Was beim Torculus specialis allgemein erkannt ist (wenn auch in der Praxis wenig rezipiert), ist auf alle mit Aufstieg beginnenden Neumen anzuwenden, speziell auf den kPes, aber auch auf den Torculus.+• Grundsätzlich ist bei der kurrenten (jeder) Neume der //erste Ton schwach:// <fc #ff0000>INITIO DEBILIS SEMPER</fc>. Dies entgegen dem romantischen Musikverständnis, wie es den Neumen Joseph Pothiers zugrundeliegt. Erst auf der Basis eines grundsätzlichen mehr oder weniger schwachen Anfangs //jeder// Neume, kann die spezielle Notation einer "Anfangsartikulation" sinnvoll sein. Was beim Torculus specialis allgemein erkannt ist (wenn auch in der Praxis wenig rezipiert), ist auf alle mit Aufstieg beginnenden Neumen anzuwenden, speziell auf den kPes, aber auch auf den kTorculus.
  
-• **Quilisma** und **Oriscus** sind zwei Zeichen, die in der Adistematie eine helfende Funktion anstelle der fehlenden Linien haben. In  der Diastemie sind sie überflüssig. Die diastematichen Schreiber, im Dilemma kein Jota und Strichlein auslassen zu wollen/dürfen, übertragen die unverstandenen Zeichen Oriscus und Quilisma dann doch als Ton, wenn manchmal auch an ungewöhnlicher Stelle <fc #ff0000>QUILISMA et ORISCUS NON SONENTI</fc>+• **Quilisma** und **Oriscus** sind zwei Zeichen, die in der Adiastemie eine helfende Funktion anstelle der fehlenden Linien haben. In  der Diastemie sind sie überflüssig. Die diastematischen Schreiber, im Dilemma kein Jota und Strichlein auslassen zu wollen/dürfen, übertragen die unverstandenen Zeichen Oriscus und Quilisma dann doch als Ton, wenn manchmal auch an ungewöhnlicher Stelle<fc #ff0000>QUILISMA et ORISCUS NON SONANTES</fc>.
- +
-• Die "Liqueszenz" hat //nie// einen (auch noch so kleinen) Nebenton. Die augmentative Liqueszenz breitet eine wichtige Silbe klanglich aus, die diminutive Liqueszenz kappt (zb. die weiterführende Clivis) und staut. Ihre Aufgabe ist es, gerade diesen zweiten weiterführenden Ton zu verhindern.+
  
 +• Die "Liqueszenz" hat //nie// einen (auch noch so kleinen) Nebenton. Die augmentative Liqueszenz breitet eine wichtige Silbe klanglich aus, die diminutive Liqueszenz kappt (z.B. die weiterführende Clivis) und staut. Ihre Aufgabe ist es, gerade diesen zweiten weiterführenden Ton zu verhindern: <fc #ff0000>LIQUESCENS SINE SECUNDO TONO</fc>.
  
 Diese drei Grundsätze unterscheiden unsere Restitution/Interpretation wesentlich von dem seit 150 Jahren gängigen Verständnis (opinio communis) davon, was Gregorianischer Choral sei.  Diese drei Grundsätze unterscheiden unsere Restitution/Interpretation wesentlich von dem seit 150 Jahren gängigen Verständnis (opinio communis) davon, was Gregorianischer Choral sei. 
  
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+Daraus resultiert aber auch eine geänderte Verwendung der Quadratnotenschrift. Die von Joseph Pothier auf Basis der Schreibpraxis im Anjou des 15. Jahrhunderts festgelegte Schrift spiegelt das Musikverständnis des 19. Jahrhunderts wieder und wurde bis heute nicht (Ausnahme Liqueszenzgraphien LH 1983) an neue Forschungsergebnisse angepasst. Das GrN hat zwar Töne ausgebessert, aber das Notenbild (Neumengraphien und Gliederungen) unverändert gelassen. Das hält eine erhebliche, den Sänger behindernde Diskrepanz zwischen Neumen und Noten offen. Unser Quadratnotenbild versucht diese Diskrepanz zu verringern, die artikulatorischen Gegebenheiten der Neumen möglichst zu übertragen und die oben genannten Erkenntnisse anzuwenden. Dabei soll das Quadratnotenbild nicht überladen werden.\\ 
 +Auf Gliederungszeichen verzichten wir völlig und verwenden stattdessen Sinnzeilen.  
 + 
 +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
 ====== EINSTUFIGE NEUMEN ====== ====== EINSTUFIGE NEUMEN ======
  
  
  
-===== Virga – Tractulus =====+=== Virga – Tractulus ===
  
 +{{:neumen:e_virga_tractulus.png?300 |}}
 In den St. Galler Handschriften werden grundsätzlich nur zwei Zeichen für den Einzelton verwendet: Virga (lat.: Zweig, Ast, Rute) und Tractulus (lat.: das kleine Gezogene). In den St. Galler Handschriften werden grundsätzlich nur zwei Zeichen für den Einzelton verwendet: Virga (lat.: Zweig, Ast, Rute) und Tractulus (lat.: das kleine Gezogene).
  
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-==== Vrg und Trt bei Hartker ====+=== Vrg und Trt bei Hartker ===
  
 {{ :neumen:0400_vrg_001.png?350|}} {{ :neumen:0400_vrg_001.png?350|}}
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 Entgegen der gängigen Meinung über die St. Galler Handschriften hat Hartker sehr wohl eine unvollkommene Diastemie und setzt die Virga tiefer und höher, den Melodieverlauf darzustellen. Die Gefahr von Über- und Fehlinterpretation ist allerdings hoch. Bei gleich hohen Tönen vor dem Abstieg wird die letzte hohe Virga höher gesetzt, wie es ein guter Dirigent tut, der ein zu frühes Absinken der Stimme verhindern will "dó**mi**nus" Bei "captivitatem plebis" ist der gesamte Melodieverlauf aus den Neumen nachzuempfinden. Siehe auch [[ant:0383]]: "...et salvus ero domine" Entgegen der gängigen Meinung über die St. Galler Handschriften hat Hartker sehr wohl eine unvollkommene Diastemie und setzt die Virga tiefer und höher, den Melodieverlauf darzustellen. Die Gefahr von Über- und Fehlinterpretation ist allerdings hoch. Bei gleich hohen Tönen vor dem Abstieg wird die letzte hohe Virga höher gesetzt, wie es ein guter Dirigent tut, der ein zu frühes Absinken der Stimme verhindern will "dó**mi**nus" Bei "captivitatem plebis" ist der gesamte Melodieverlauf aus den Neumen nachzuempfinden. Siehe auch [[ant:0383]]: "...et salvus ero domine"
  
-Diese Analyse könnte wetergeführt werden...+vide [[ant:0623]] "quia per apostolum"
  
-==== Vrg und Trt in Mont Renaud ====+=== Vrg und Trt in Mont Renaud ===
  
 {{ :neumen:0006_mr_vrg.png?350|}} {{ :neumen:0006_mr_vrg.png?350|}}
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 Der Wechsel zwischen Virga und Tractulus geschieht nach den selben Regeln wie in St.Gallen. Mont Renaud zeichnet aber darüber hinaus den Tonhöhenverlauf durch längere und kürzere Virgen nach (unvollkommene Diastemie). Das gelingt zeitweise recht eindrücklich: "veniet" - "alleluia", manchmal nicht so sehr: "sancti eius cum eo". Oder sollte die Verkürzung der Virga "cum" gegenüber den vorhergehenden Silben "eius" eine Rücknahme der Intensität anzeigen? Die Länge (?) oder Dicke des Tractulus zeigt sicher mehr oder weniger Gewicht der Silbe an: "veniet **et** omnes". Der Wechsel zwischen Virga und Tractulus geschieht nach den selben Regeln wie in St.Gallen. Mont Renaud zeichnet aber darüber hinaus den Tonhöhenverlauf durch längere und kürzere Virgen nach (unvollkommene Diastemie). Das gelingt zeitweise recht eindrücklich: "veniet" - "alleluia", manchmal nicht so sehr: "sancti eius cum eo". Oder sollte die Verkürzung der Virga "cum" gegenüber den vorhergehenden Silben "eius" eine Rücknahme der Intensität anzeigen? Die Länge (?) oder Dicke des Tractulus zeigt sicher mehr oder weniger Gewicht der Silbe an: "veniet **et** omnes".
  
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––  +------------------------------------------------ 
      
-===== Uncinus – Punctum – Virga =====+=== Uncinus – Punctum ===
  
 +{{:neumen:l_uncinus_punctum.png?300 |}}
 +{{ :neumen:0688_acuasta.png?140|}}
 +Was in E/C/H die Virga ist, ist in L der Uncinus, ein geschwungener Tractulus mit "Aufstrich". Den Uncinus höher und tiefer schreibend wird der Tonhöhenverlauf in etwa nachgezeichnet (unvollkommene Diastemie). \\
 +Leichte, praetonische Silben werden mit Punctum dargestellt. Diese Möglichkeit haben die St. Galler nicht (mit Ausnahme manchmal in C), sie schreiben hier [[neumen:litterae#c|celeriter]], oder setzen das Wissen um die Leichtigkeit der praetonischen Silben voraus. \\
 +Bv entspricht dem mit seiner [[quellen:quellen_gr#acuasta|Acuasta]], e.g. CO [[grad:0688]] Narrabo //"mira//-bilia". \\
 +Die Virga in L kommt nur (?) als Teil einer Mehrtonneume als melodischer Höhepunkt vor (cf. Pes, Scandicus). 
  
 +------------------------------------------------
 +=== Gravis ===
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––   +Der Gravis ist ein nach rechts fallender Tractulus. Er zeigt in den adiastematischen Handschriften einen besonders tiefen Ton an. E [[grad:0626]] "super uno pec-//ca//-tore".\\ 
-===== Gravis =====+Im AN-Repertoire kommt er häufiger vor (über 80x) z.B. [[ant:1326]] "//hic// est enim", "//in//-ter natos", [[ant:0075]] "//Di//-es domini".
  
 +Sehr markant der Gravis in [[ant:0922]] "Scitis" Quint tiefer : senkrecht und beidendig episemiert.
  
 +In Ch kommt auch ein rechts aufsteigender Tractulus vor [[grad:0002]] "Ad //te// levavi".
 +In Bv zeigt das nach rechts fallende Strichlein nur an, dass der Ton davor höher war [[grad:0006]] Bv33 "eius //po//-tentes", "eius //ad// audiendam", Das kommt aus der Schreibpraxis, bei absteigenden Tönen die Feder nach rechts zu drehen. Inwieweit eine Informationsabsicht dahinter steht, ist schwer auszumachen.\\
 +Wieder anders stellt sich die Frage in A + Y. Hier sind die Pünktchen/Strichlein wieder eher Ausdruck der Kurrenz, wobei die Aquitanier jeden tiefsten Ton mit Tractulus versehen.
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––  +------------------------------------------------ 
      
-===== Bivirga – Tristropha =====+=== Bivirga – Tristropha ===
  
-Bivirga ist die //nicht kurrente// Formdie Tristropha die //kurrente// Form eines amplifizierten Tones.+{{:neumen:2vrg-3str.png?300 |}} 
 +Die Wertigkeit einer Silbe, auch wenn sie nur einstufig ist, kann vielfältig dosiert sein. In G und L kann ein Ton  praetonisch kurrent leicht normal nicht kurrent / breit sein.  Es wäre aber falsch diese Unterscheidungen definierend der kategorial zu verstehen. Sie sind keine absoluten Wertungen, sondern haben nur im Kontext das rechte Gewicht. Auch hier müssen wir uns vom modernen **definieren** verabschieden und mittelalterlich **assoziieren**. So sind E und L scheinbar nicht immer auf der selben  Linie. Ch + MR kümmert hier der Silbenwert nicht (mehr); Virga und Tractulus sind melodisch relevant.\\ 
  
-Ist ein Strophicus (meist Tristropha) endartkuiertso notieren wir das durch eine Rhomba an Stelle des letzten Strophicus.+Die Bivirga und Tristropha zeigen reperkutierend den Mehrwert einer Silbe auf. Dabei kann man die  Bivirga als die //nicht kurrente// Formdie Tristropha als die //kurrente// Form der Amplifizierung ansehen
  
 +=== Bivirga urgens MR+Wc ===
  
 +{{ :neumen:7409_wc_bivirga_urgens.png?150|}}
  
-==== Bivirga urgens MR ====+Bemerkenswert ist die Tatsache, dass MR meist, Ch oft, L ebefalls nicht selten [[grad:0894]] "pleni-//tú//-do" die Bivirga als 
 +//Bivirga urgens// notieren. Die traditionelle Chorallehre würde diese Neume als "Pes mit Amplifizierung auf dem oberen Ton" bezeichnen. Diese Bezeichnung berücksichtigt jedoch nicht die Leichtigkeit des ersten Pes-Tones, der in E immer und in L meistens entfallen kann. Sie denkt vom Anfang an und bedenkt nicht, dass "eine Neume nicht mit dem ersten Ton beginnt", sondern mit dem letzten aufhört. Mit dieser Neume ist die Grenze zwischen einstufig und zweistufig aufgeweicht.\\
  
-oben amplifizierter Pes - Bivirga emphatica 
-[[grad:0894]] "pleni**tú**do" 
- MR schreibt die Bivirga grundsätzlich //urgens//. L geht dabei nicht selten mit [[grad:0989]] "Et **é**runt" 
  
-Damit ist die Grenze zwischen einstufiger und zweistufiger Neume aufgeweicht. +Wc hat für die Bivirga urgens eine eigene, durchaus auffällige Graphie, z.B.:[[ant:7698]] "interce-//de//", [[ant:7654]] "ple-//na//", [[ant:7409]] "in sae-//cu//-lum"
-Wc hat für die Bivirga urgens eine eigene, durchaus auffällige Graphie, z.B.:[[ant:7698]] +
  
  
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+ 
 +Der Strophicus ist in L + Ch grundsätzlich endartikuliert, die Puncta werden mit Tractulus abgeschlossen. E gibt dem letzten der 3 Strophici nicht grundsätzlich, aber in artikulatorisch berechtigten Fällen ein Episem. Wir notieren das durch eine Rhomba an Stelle des letzten Strophicus. 
 + 
 + 
 +=== Tristropha im melodischen Kontext === 
 + 
 +------------------------------------------------  
 + 
 +=== Die QUADRAT-Noten === 
 + 
 +Die Virga von St.Gallen und der Uncinus von Laon werden, wie üblich als **Quadrata** übertragen.\\ 
 +Die leichten praetonischen Silben von L (und C) werden als **Rhomba** notiert.  
 +Die episemierte Virga, vor allem im AN-Repertoire, steht meist auf der Endsilbe eines Satzteiles und gliedert so (an Stelle einer divisio), fast ebenso häufig betont sie, breitet sie Akzentsilben aus. Die episemierte Virga schreiben wir als **Quadrata mit Hals** (Virga). 
 +{{ :neumen:1698_vrg_epis_xerg.png?400|}} 
 + 
 +{{ :neumen:0688_acuasta.png?150|}} 
 +––––––––––––––––––– 
 ====== ZWEISTUFIGE NEUMEN ====== ====== ZWEISTUFIGE NEUMEN ======
  
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 {{ :neumen:gph_pes_clv_02.jpg?300|}}Die frühen adiastematischen Hss „**artikulieren**“ die Neumen, das heißt sie unterscheiden zwischen nicht kurrent (**nk**) und kurrent (**k**). Beim nkPes sind beide Töne gleich gewichtig, beim kPes ist der erste Ton leicht, machmal so leicht, dass er in verschiedenen Hss ganz wegfällt und nur eine Virga, der obere Ton, übrig bleibt (s.u.). Man könnte einen solchen kPes auch als „**Virga urgens**“ bezeichnen. {{ :neumen:gph_pes_clv_02.jpg?300|}}Die frühen adiastematischen Hss „**artikulieren**“ die Neumen, das heißt sie unterscheiden zwischen nicht kurrent (**nk**) und kurrent (**k**). Beim nkPes sind beide Töne gleich gewichtig, beim kPes ist der erste Ton leicht, machmal so leicht, dass er in verschiedenen Hss ganz wegfällt und nur eine Virga, der obere Ton, übrig bleibt (s.u.). Man könnte einen solchen kPes auch als „**Virga urgens**“ bezeichnen.
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-====== PES ======+===== PES =====
  
- +=== kPES ===
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––===== eintoniger PES ===== +
- +
- +
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +
-===== kPES =====+
  
 **Das Problem** **Das Problem**
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 {{ :neumen:gph_pes_clv_05.jpg?300|}} {{ :neumen:gph_pes_clv_05.jpg?300|}}
  
-Eine der wesentlichen Konventionen der heutigen Musik (spätestens seit Klassik und Romantik) ist es, dass der musikalische Schwerpunkt auf 1, auf dem Textakzent, nach dem Taktstrich liegt. Dieses a-priori (Vorurteil) hat die Restauration des Gregorianischen Choral im 19.Jahrhundert bis heute geprägt; es gilt schon im Barock und der Renaissance nur eingeschränkt, gab es ja keine Taktstriche. Das Konzil von Trient (Palestrina, Editio mediceae), aber auch bereits die Zisterzienserreform des 12.Jahrhunderts stoßen sich daran, dass wichtige Silben nur auf einen Ton zu singen sind, während Nebensilben mehrere Töne tragen. Was die **Zisterzienser** vorsichtig und ansatzweise tun, wird in der **Editio medicaea** konsequent und brutal zu Ende geführt: die Melodien werden dem Musikverstand der Zeit  und dem Text wie man ihn damals betonte entsprechend angepasst. Nicht nur, dass im Frühmittelalter hebräische Namen noch auf der Endsilbe betont wurden (Jerusa**lém**) ist auch der Pes zum "mi" allein durch den Zielton "mi" bestimmt ([[grad:0039]]). Der erste Ton des kPes ist so leicht, dass er nur als ein "**portamento**", ein Anschleifen, keinesfalls als fixer Tonort darzustellen ist. Wäre er mehr, würde das Wort "Ieru**sá**lem" heißen. Bestätigt wird diese Sicht der Neumen durch den kPes auf der Binnensilbe des Proparoxytonon (PPO). +Eine der wesentlichen Konventionen der heutigen Musik (spätestens seit Klassik und Romantik) ist es, dass der musikalische Schwerpunkt auf 1, auf dem Textakzent, nach dem Taktstrich liegt. Dieses a-priori (Vorurteil) hat die Restauration des Gregorianischen Choral im 19.Jahrhundert bis heute geprägt; es gilt schon im Barock und der Renaissance nur eingeschränkt, gab es ja keine Taktstriche. Das Konzil von Trient (Palestrina, Editio mediceae), aber auch bereits die Zisterzienserreform des 12.Jahrhunderts stoßen sich daran, dass wichtige Silben nur auf einen Ton zu singen sind, während Nebensilben mehrere Töne tragen. Was die **Zisterzienser** vorsichtig und nur ansatzweise tun, wird in der **Editio medicaea** konsequent und brutal zu Ende geführt: die Melodien werden dem Musikverstand der Zeit  und dem Text wie man ihn damals betonte entsprechend angepasst. Nicht nur, dass im Frühmittelalter hebräische Namen noch auf der Endsilbe betont wurden (Jerusa**lém**) ist auch der Pes zum "mi" allein durch den Zielton "mi" bestimmt ([[grad:0039]]). Der erste Ton des kPes ist so leicht, dass er nur als ein "**portamento**", ein Anschleifen, keinesfalls als fixer Tonort darzustellen ist. Wäre er mehr, würde das Wort "Ieru**sá**lem" heißen. Bestätigt wird diese Sicht der Neumen durch den kPes auf der Binnensilbe des Proparoxytonon (PPO).
-==== Der kPes auf der Binnensilbe des PPO ====+
  
-Vor allem am Ende von Sätzen, aber auch in Binnenposition werden die Binnensilben des PPOs (z.b.: dó-**mi**-nus) mit einem kPes versehen. Wenn der erste Ton des "kPes" so gesungen wird, wie es heute üblich ist: der erste Ton trägt das Gewicht der Silbe/Neume, so ruft und rief es die berechtigte Kritik der Zisterzienser und des Tridentinum hervor: "do-****-nus" ist des zum Klang gekommenen Wort Gottes unwürdig. Nicht das Wort Gottes ist im Gregorianischen Choral schlecht vertont, sondern unser musikalisches Vorverständnis entspricht nicht dem 1.Jahrtausend. +=== Der kPes auf der Binnensilbe des PPO === 
 + 
 +Vor allem am Ende von Sätzen, aber auch in Binnenposition werden die Binnensilben des PPOs (z.b.: dó-**mi**-nus) mit einem kPes versehen. Wenn der erste Ton des "kPes" so gesungen wird, wie es heute üblich ist: der erste Ton trägt das Gewicht der Silbe/Neume, so ruft und rief es die berechtigte Kritik der Zisterzienser und des Tridentinum hervor: "do-////-nus" ist des zum Klang gekommenen Wort Gottes unwürdig. Nicht das Wort Gottes ist im Gregorianischen Choral schlecht vertont, sondern unser musikalisches Vorverständnis entspricht nicht dem 1.Jahrtausend. 
  
 "**Eine Neume/Silbe beginnt nicht mit der ersten Note, sie hört mit der letzten auf**" "**Eine Neume/Silbe beginnt nicht mit der ersten Note, sie hört mit der letzten auf**"
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 Quer durch die Handschriften werden Proparoxytona (PPO) in rezitierenden Kontexten, das sind vor allem die Schlüsse, auf der Binnensilbe systemlos, ganz beliebig mit Einton **oder** mit kPes versehen. Quer durch die Handschriften werden Proparoxytona (PPO) in rezitierenden Kontexten, das sind vor allem die Schlüsse, auf der Binnensilbe systemlos, ganz beliebig mit Einton **oder** mit kPes versehen.
  
-Die Antiphon 0733 wird in einer der ältesten Handschriften, in MR, zweimal notiert: Die Binnensilbe des letzten Wortes "vocá-**bi**-tur" wird einmal mit kPes, einmal mit Virga notiert. Die Austauschbarkeit/Beliebigkeit der beiden Zeichen im gegebenen Kontext ist offensichtlich. Unser moderner, schriftfixierter Ansatz ..... +Die Antiphon 0733 wird in einer der ältesten Handschriften, in MR, zweimal notiert: Die Binnensilbe des letzten Wortes "vocá-//bi//-tur" wird einmal mit kPes, einmal mit Virga notiert. Die Austauschbarkeit/Beliebigkeit der beiden Zeichen im gegebenen Kontext ist offensichtlich. Unser moderner, schriftfixierter Ansatz .....
- +
  
  
  
-==== Der kPes/Virga urgens als Akzent auf einer Rezitation ====+=== Der kPes/Virga urgens als Akzent auf einer Rezitation ===
  
 Pes 1-3TonNeume Pes 1-3TonNeume
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 Bivirga urgens Bivirga urgens
 cf.: [[grad:0945]] L + MR. cf.: [[grad:0945]] L + MR.
 +cf.: [[ant:7022]] .
  
-===== nkPES =====+=== andere  === 
 +[[ant:7082]] "fecit mi-//hi//" 
 +=== nkPES ===
  
 Beide Töne haben Gewicht. Beide Töne haben Gewicht.
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-==== ein- bis dreitoniger Pes ==== 
  
 +=== eintoniger PES ===
 +
 +Es geht nicht um das Schriftzeichen, sondern um das Klangereignis einer Silbe.\\ 
 +cf.: [[rp_hmr:0905]] H contra MR\\
 +[[grad:0024]] <fc #4682b4>"et //é//-go"</fc>. in Bv, A, Y nur ein Ton.
 +[[grad:0621]] <fc #4682b4>"//fá//-ciem"</fc>.Bv (Mod,Mp) ein Ton.
 +• [[grad:0684]] <fc #4682b4>"cog-//nós//-ce"</fc>. Ch, E, Kl zwei Töne; L, Bv, A , Y ein Ton.
 + 
 +
 +=== ein- bis dreitoniger Pes ===
 +
 +{{ :neumen:pes_comm11.jpg?200|}}
 Die Tonanzahl ist kein adäquates Maß die Neumen/Silben zu erklären, die Anzahl der Stufen schon: Der Pes ist eine zweistufige Neume/Silbe nach oben, ein- bis dreitönig. Die Tonanzahl ist kein adäquates Maß die Neumen/Silben zu erklären, die Anzahl der Stufen schon: Der Pes ist eine zweistufige Neume/Silbe nach oben, ein- bis dreitönig.
  
-{{:neumen:pes_comm11.jpg?200 |}}+Pes in MR 
 +Pes disgregatus.
  
 +eintoniger Pes e.g.: "ibi éum vidébitis" [[ant:7742]] 
 +–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
  
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
  
 +===== CLIVIS =====
  
-====== CLIVIS ======+{{ :neumen:2clv.png?200|}} 
 +Die Clivis (**<fc #4682b4>Clv</fc>**) griech.: clinein: anlehnen, lehnen, sich neigen. Die Clivis ist in ihrer Normalform (Aufstrich und Abstrich) eine ruhige, beruhigende Neume und daher von mittlerem Wert. Die nicht kurrente Form ist oben mit Episem versehen, die kurrente Form mit celeriter.\\ 
 +Wir notieren kClv mit Rhomba und Quadrata, die mClv mit zwei Quadratae, die nkClv mit zwei Quadratae und Hals.
  
-Die Clivis (**<fc #4682b4>Clv</fc>**) griech.: clineinanlehnen, lehnen, sich neigen+Die Clivis breitet aus und verbindet. cf.: [[grad:0002]] "confi-//do// non //e//-rubescam" etc.
  
-Clivis terminatio debilis cf. IN 2.tonos der Psalmodie in den Bv Handschriften die zweite Silbe. 
  
  
-Clis initio debilis in L und Ch, aber vide 0520 "ex-**au**-di".Hier kann die Graphie (ähnlich/gleich?) nur eine Clivis liqueszens sein+Clivis terminatio debilis cf. IN 2.tonos der Psalmodie in den Bv Handschriften die zweite Silbe.\\ 
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+Clv initio debilis in L und Ch,  
 + 
 + 
 +**Dreitonige Clivis** 
 +ad ex.:  [[ant:7015]] "//luc//-tum" 
 + 
 + 
 +=== Clv cop === 
 + 
 +In ihrer weiterfürend- verbindenden Funktion steht die Clivis am Ende eines Centos. 
 + 
 + 
 +=== Trigon === 
 + 
 +immer zwei gleich hohe Töne und meist fallende Terz. 
 + 
 +Sandhove sitzt in NR p.[10],l.2  "quid" der do-Revision in Kaauf! 
 +–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
 ====== DREISTUFIGE NEUMEN ====== ====== DREISTUFIGE NEUMEN ======
  
-====== SCANDICUS ====== +===== SCANDICUS ===== 
  
 Der Scandicus (**<fc #4682b4>Sca</fc>**) ist ein übersteigerter, verlängerter und damit verstärkter Pes, eine weitere Akzentneume. Die drei aufsteigenden Stufen  Der Scandicus (**<fc #4682b4>Sca</fc>**) ist ein übersteigerter, verlängerter und damit verstärkter Pes, eine weitere Akzentneume. Die drei aufsteigenden Stufen 
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 Ein besonderer Fall ist die Quintintonation des 1.Modus. Beim Sca-23 (re-la-si) ist der erste Ton so leicht, dass er wie im kPes sogar entfallen kann. Das bestätigt Ang. Ist durch praetonische Silben das "re" bereits etabliert, so verwendet Ang für den Akzent eine besondere Neumengraphie: Oriscus mit angebundenem kPes ([[grad:0491]]).  Fehlen praetonische Silben, so schreibt Ang wie alle anderen auch Pes ([[grad:0026]]). Ein besonderer Fall ist die Quintintonation des 1.Modus. Beim Sca-23 (re-la-si) ist der erste Ton so leicht, dass er wie im kPes sogar entfallen kann. Das bestätigt Ang. Ist durch praetonische Silben das "re" bereits etabliert, so verwendet Ang für den Akzent eine besondere Neumengraphie: Oriscus mit angebundenem kPes ([[grad:0491]]).  Fehlen praetonische Silben, so schreibt Ang wie alle anderen auch Pes ([[grad:0026]]).
  
-Zum Salicus ist zu sagen: in gewisser Weise steht der Orisus für einen  Nicht-Ton!?+Zum Salicus ist zu sagen: in gewisser Weise steht der Oriscus für einen  Nicht-Ton!? 
 + 
 +cf.[[ant:0303]], 
  
-cf.[[ant:0303]], +Eine wichtige Neume ist der anfangsartukulierte Sca 1-3 .
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
-====== TORCULUS  ======+===== TORCULUS  =====
  
 {{ :neumen:gph_trc_01.jpg?200|}} {{ :neumen:gph_trc_01.jpg?200|}}
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 Er wird nicht selten auch als „**Pes flexus**“ bezeichnet, um die Leichtigkeit des Einstieges gegenüber dem ruhigen Ausklang auszudrücken. Die Eigenschaften des kPes bedenkend, wäre „**Clivis urgens**“ vielleicht der bessere Name. Denn auch beim Torculus, wie beim kPes, ja sogar noch häufiger, entfällt in bestimmten Konstellationen in der einen oder anderen Handschrift der erste Ton und es bleibt eine Clivis (Clivis urgens) über.  Er wird nicht selten auch als „**Pes flexus**“ bezeichnet, um die Leichtigkeit des Einstieges gegenüber dem ruhigen Ausklang auszudrücken. Die Eigenschaften des kPes bedenkend, wäre „**Clivis urgens**“ vielleicht der bessere Name. Denn auch beim Torculus, wie beim kPes, ja sogar noch häufiger, entfällt in bestimmten Konstellationen in der einen oder anderen Handschrift der erste Ton und es bleibt eine Clivis (Clivis urgens) über. 
  
-//Es ist bezeichnend für das a priori unseres Denkens, dass der Torculus zwar öfters schon als "pes flexus" bezeichnet wurde, vom Beginn her gedacht, aber bisher nie als "clivis urgens", vom Ende her bezeichnet wurde. Es wird noch eine gewaltige Wende in unserem gregorianischen Denken nötig sein, bevor wir dem Ansatz L.Agustonis wirklich gerecht werden "Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note, sie hört mit der letzten auf".//+//Es ist bezeichnend für das a priori unseres Denkens, dass der Torculus zwar öfters schon als "pes flexus" bezeichnet wurde, vom Beginn her gedacht, aber bisher nie als "clivis urgens", vom Ende her bezeichnet wurde. Es wird noch eine gewaltige Wende in unserem gregorianischen Denken nötig sein, bevor wir dem Ansatz L. Agustonis wirklich gerecht werden "Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note, sie hört mit der letzten auf".//
  
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 In Bv zeigt ein waagrechter Anstrich an, dass der Ton zuvor tiefer oder gleich hoch ist. Ein fallender Anstrich weist auf einen höheren Ton zuvor hin. Die Graphien von Bv sind mehr an Melodienverläufen interessiert, als an Artikulation.  In Bv zeigt ein waagrechter Anstrich an, dass der Ton zuvor tiefer oder gleich hoch ist. Ein fallender Anstrich weist auf einen höheren Ton zuvor hin. Die Graphien von Bv sind mehr an Melodienverläufen interessiert, als an Artikulation. 
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-===== Torculus mit Anfangsartikulation =====+=== Torculus mit Anfangsartikulation === 
 + 
 +===== Trc i.d. =====
  
 <fc #008080>Torculus initio debilis (Trc i.d.) - Torculus specialis</fc> <fc #008080>Torculus initio debilis (Trc i.d.) - Torculus specialis</fc>
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-===== Clivis urgens = Torculus initio debilis (-Pes flexus) =====+=== Clivis urgens = Torculus initio debilis (-Pes flexus) ===
  
  
 Der **Torculus initio debilis** (mit schwachem Anfang, oft einfach **Torculus specialis** genannt) besser als **Clivis urgens** bezeichnet, wird in drei speziellen sprachlichen (elucotorischen) Kontexten verwendet. Als  Der **Torculus initio debilis** (mit schwachem Anfang, oft einfach **Torculus specialis** genannt) besser als **Clivis urgens** bezeichnet, wird in drei speziellen sprachlichen (elucotorischen) Kontexten verwendet. Als 
 {{ :neumen:gph_trc_avb.jpg?350|}}\\ {{ :neumen:gph_trc_avb.jpg?350|}}\\
-• Akzentvorbereitender Torculus, (parans accentum) "Trc par" als\\ +• Akzentvorbereitender Torculus, (parans accentum) "TrcPAR" als\\ 
-• Wortartikulationstorculus oder (verbum finiens) "Trc fin" als\\ +• Wortartikulationstorculus oder (verbum finiens) "TrcFIN" als\\ 
-• Intonationstorculus, einen Satz eröffnend (sententiam intonans) "Trc int".+• Intonationstorculus, einen Satz eröffnend (sententiam intonans) "TrcINT".
  
-=== den Akzent vorbereitend ===+=== TrcPAR ===
  
-(accentum parans) **<fc #4682b4>Trc par</fc>** +**<fc #008080>Akzent vorbereitend = accentum parans = Trc par</fc>**\\ 
-liegt der Torculus auf der Silbe vor dem Akzent und erzeugt jenen Stau, der den folgenden Akzent provoziert. Er ist immer ein Sekund-Sekund-Torculus und liegt zwischen zwei Tönen im Abstand der großen Terz (fa-la oder sol-si). **Einsiedeln** setzt grundsätzlich das Wissen um den Trc i.d voraus, nur selten ist eine Verlängerung des zweiten Neumenelements zu erkennen. Im Fall des Introitus (IN) "Misereris" 0107 weist das "altius" auf die akzentvorbereitende Position hin. Das "mediocriter" soll allzuviel Emphase verhindern. **Chartres** reduziert die Neume zur Clivis (Clivis urgens). **Laon**, **Benevent** und auch **Mont Renaud** haben ein eigenes Zeichen für "initio debilis": die Einrundung des ersten Element schwächt diesen Ton. +Der Torculus liegt auf der Silbe vor dem Akzent und erzeugt jenen Stau, der den folgenden Akzent provoziert. Er ist immer ein Sekund-Sekund-Torculus und liegt zwischen zwei Tönen im Abstand der großen Terz (fa-la oder sol-si). **Einsiedeln** setzt grundsätzlich das Wissen um den Trc i.d voraus, nur selten ist eine Verlängerung des zweiten Neumenelements zu erkennen. Im Fall des Introitus (IN) "Misereris" 0107 weist das "altius" auf die akzentvorbereitende Position hin. Das "mediocriter" soll allzuviel Emphase verhindern. **Chartres** reduziert die Neume zur Clivis (Clivis urgens). **Laon**, **Benevent** und auch **Mont Renaud** haben ein eigenes Zeichen für "initio debilis": die Einrundung des ersten Element schwächt diesen Ton. 
  
 Der "Spezialtorculus" ist also eine Zwei-bis-drei-Ton-Neume. Offensichtlich ist die Anzahl der Töne nicht geeignet, eine Neume zu definieren. Denn ob eine Clivis geschrieben wird, oder ein Torculus spezialis oder ein gewöhnlicher Torculus ist die Eigenart einer jeden Handschrift. Ob beim Erklingen der erste Ton einen fixen Tonort hat, so könnte man das altius in E deuten, oder zum Portamento mit unbestimmter Tonhöhe wird, oder ganz entfällt, ergibt sich aus der Persönlichkeit und Stimmungslage des jeweiligen Sängers.  Der "Spezialtorculus" ist also eine Zwei-bis-drei-Ton-Neume. Offensichtlich ist die Anzahl der Töne nicht geeignet, eine Neume zu definieren. Denn ob eine Clivis geschrieben wird, oder ein Torculus spezialis oder ein gewöhnlicher Torculus ist die Eigenart einer jeden Handschrift. Ob beim Erklingen der erste Ton einen fixen Tonort hat, so könnte man das altius in E deuten, oder zum Portamento mit unbestimmter Tonhöhe wird, oder ganz entfällt, ergibt sich aus der Persönlichkeit und Stimmungslage des jeweiligen Sängers. 
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-=== ein Wort artikulierend === 
  
-(verbum finiens) **<fc #4682b4>Trc fin</fc>**+vide: [[ant:7380]]   "et //ad// ignem" 
 + 
 +------- 
 +=== TrcFIN === 
 + 
 +**<fc #008080>Wort artikulierend = verbum finiens = Trc fin</fc>**\\
 Wortartikulation bedeutet das sorgfältige Absprechen eines Wortes, es im Nachhinein zu seinem Wert kommen zu lassen. Wortartikulation bedeutet das sorgfältige Absprechen eines Wortes, es im Nachhinein zu seinem Wert kommen zu lassen.
 +
 {{:neumen:gph_trc_watk.jpg?450 |}} {{:neumen:gph_trc_watk.jpg?450 |}}
  
-"Nó**tas)** mihi fecisti": "Bek**annt)** hast du mir gemacht". Einsiedeln schreibt den Trc specialis mit tenete auf dem zweiten Ton (Torculus mit vorbereiteter Endartikulation **-23**). Auf "fe**cís**ti" folgt ein kTrc: Akzenttorculus **--3**. Im IN "Accipite" folgen drei unterschiedliche Torculi unmittelbar aufeinander. Der Wortende-Torculus (Wortartikulations-Torculus) beschließt mit viel Elan die Stelle. Der Akzenttorculus davor wird wiederum mit dem akzentvorbereitenden Torculus " Iocun-**di**-tátem" vorbereitet.+"Nó//tas)// mihi fecisti": "Be//kannt)// hast du mir gemacht". Einsiedeln schreibt den Trc specialis mit tenete auf dem zweiten Ton (Torculus mit vorbereiteter Endartikulation **-23**). Auf "fe**cís**ti" folgt ein kTrc: Akzenttorculus **--3**. Im IN "Accipite" folgen drei unterschiedliche Torculi unmittelbar aufeinander. Der Wortende-Torculus (Wortartikulations-Torculus) beschließt mit viel Elan die Stelle. Der Akzenttorculus davor wird wiederum mit dem akzentvorbereitenden Torculus " Iocun-**di**-tátem" vorbereitet.
  
 {{:neumen:gph_trc_pater_si_non.jpg?300 |}} {{:neumen:gph_trc_pater_si_non.jpg?300 |}}
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 vide et: [[ant:0070]] "petitiones vestrae", [[ant:7363]] "per totum mundum". vide et: [[ant:0070]] "petitiones vestrae", [[ant:7363]] "per totum mundum".
-==== Intonationstorculus / einen Satz eröffnend ==== +------- 
- +=== TrcINT === 
 + 
 +[[neuma:TrcINT| ▶️]] 
 + 
 +<fc #ff0000>zum 1.Ton des TrcINT vide</fc> [[grad:0050]] 
 {{  :neumen:0162_trc.i.d.png?400| }} {{  :neumen:0162_trc.i.d.png?400| }}
  
-(sententiam intonans) **<fc #4682b4>Trc int</fc>**+**<fc #008080>Satz eröffnend/intonierend = sententiam intonans = Trc int</fc>**\\
 Der Intonationstorculus eröffnet einen Satz schwungvoll. Leichter Quartaufschwung, semitonaler Rückschwung. Vor allem in Tetrarduskontexten, aber auch im Protus erscheint der Intonationstorculus. Er bildet im 7. Modus die typische Intonation. Der Intonationstorculus eröffnet einen Satz schwungvoll. Leichter Quartaufschwung, semitonaler Rückschwung. Vor allem in Tetrarduskontexten, aber auch im Protus erscheint der Intonationstorculus. Er bildet im 7. Modus die typische Intonation.
  
-==== zur Rezeption der Clivis urgens ====+=== zur Rezeption der Clivis urgens ===
  
-Auf die Frage, wie denn nun ein Torculus specialis / eine Clivis urgens (Namen sind Festlegung eines a priori/eines Vorurteils) gibt es drei Antworten+Auf die Frage, wie denn nun ein Torculus specialis / eine Clivis urgens (Namen sind Festlegung eines a priori/eines Vorurteils) zu singen sei, gibt es drei Antworten
  
-a) Der erste Ton fällt aus, oder nicht (JBG). Das passt nicht in die so einheitliche Tradition der gregorianischen Melodien.+a) Der erste Ton fällt aus, oder nicht (JBG). Das entweder / oder passt nicht in die so einheitliche Tradition der gregorianischen Melodien.
  
 b) Der erste Ton wird ganz bewusst //kaum// gesungen (GJ). Psychologisch gesehen ein Widerspruch in sich. Dieser Satz erinnert an den Blick des Kaninchens auf die Schlange. In der Praxis wird dann der Ton zwar kurz, aber sehr pointiert gesungen. b) Der erste Ton wird ganz bewusst //kaum// gesungen (GJ). Psychologisch gesehen ein Widerspruch in sich. Dieser Satz erinnert an den Blick des Kaninchens auf die Schlange. In der Praxis wird dann der Ton zwar kurz, aber sehr pointiert gesungen.
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 Welches Phänomen liegt vor sprachlich / akustisch / musikalisch, wenn die einen Handschriften einen Ton schreiben,  Welches Phänomen liegt vor sprachlich / akustisch / musikalisch, wenn die einen Handschriften einen Ton schreiben, 
-die anderen aber nicht, die dritten sogar ein Spezialzeichen erfinden? Könnte es nicht jener „portamentoartige Gleitton“ sein, den Agustoni/Göschl dem Quilisma zu Unrecht zuschreibt? Könnte nicht der Torculus specialis (der Pes flexus) eigentlich eine Clivis sein, die von unten her „portamentoartig“ angeschliffen, österreichisch formuliert „angeraunzt“ wird (Clivis urgens)? Steht uns nicht unser Vorurteil, die Neumen vom Anfang her zu benennen  +die anderen aber nicht, die dritten sogar ein Spezialzeichen erfinden? Könnte es nicht jener „portamentoartige Gleitton“ sein, den Agustoni/Göschl dem Quilisma zu Unrecht zuschreibt? Könnte nicht der Torculus specialis (der Pes flexus) eigentlich eine Clivis sein, die von unten her „portamentoartig“ angeschliffen, österreichisch formuliert „angeraunzt“ wird (Clivis urgens)? Steht uns nicht unser Vorurteil, die Neumen vom Anfang her zu benennen im Weg? Warum heißt der Torculus auch Pes flexus, aber nicht besser „Clivis portamentata“ oder „Clivis inaugurata“       
-im Weg? Warum heißt der Torculus auch Pes flexus, aber nicht besser „Clivis portamentata“ oder „Clivis inaugurata“       +oder „Clivis emphatica“ (Wir haben uns letztendlich auf "Clivis urgens" festgelegt) ?! Ist dieses Phänomen nicht auch bei der [[neumen:neuma#bivirga_tristropha|Bivirga]] zu sehen? Ja, ist es nicht für den kPes hundertfach konstitutiv. Nennen wir dieses Phänomen "**portamento**".
-oder „Clivis emphatica“ (Wir haben uns letztendlich auf "Clivis urgens" festgelegt) ?! Ist dieses Phänomen nicht auch bei der [[neumen:neuma#bivirga_tristropha|Bivirga]] zu sehen? Ja, ist es nicht für den kPes hundertfach (auch tausendfach wäre wahrscheinlich nicht übertrieben) konstitutiv. Nennen wir dieses Phänomen "**portamento**".+
  
-Der Intonationstorculus der Psalmodie im 7.Ton (Tetrardus authenticus) kann also eine //Dreitonneume// sein, sich zur //Zweitonneume// reduzieren, oder (initium debilis //und// Liqueszenz bedenkend) zum //eintonigen// Cephalicus reduzieren. In E ist grundsätzlich der erste Ton (solentfallen; je nach Text stehen Clivis oder Cephalicus, die Zisterzienserreform (Zt) geht dabei mit. Bv, A+Y, Mod, Ang schreiben immer den vollen Intonationstorculus aus. Kl schreibt nur einen Ton, vermeidet die Tonwiederholung und eröffnet die Psalmodie mit "si" und "do-re". Leider haben die deutschen Benediktiner in ihrem dt.Antiphonale diese Form gewählt und nicht das richtigere "do" - "do-re".\\+Der Intonationstorculus der Psalmodie im 7.Ton (Tetrardus authenticus) kann also eine //Dreitonneume// sein, sich zur //Zweitonneume// reduzieren, oder (initium debilis //und// Liqueszenz bedenkend) zum //eintonigen// Cephalicus reduzieren. In E ist grundsätzlich der erste Ton "solentfallen; je nach Text stehen Clivis oder Cephalicus, die Zisterzienserreform (Zt) geht dabei mit. Bv, A+Y, Mod, Ang schreiben immer den vollen Intonationstorculus aus. Kl schreibt nur einen Ton, vermeidet die Tonwiederholung und eröffnet die Psalmodie mit "si" und "do-re". Leider haben die deutschen Benediktiner in ihrem dt.Antiphonale diese Form gewählt und nicht das richtigere "do" - "do-re".\\
 Ein schönes Beispiel für die ganze Problematik ist das späte AL [[ant:1660]] bei "//mun//di crimina". Nur Benevent und Modena tradieren dieses Alleluia. Mod mit vollem Intonationstorculus, Bv mit Cephalicus, dessen Graphie unter keinen Umständen einen zweiten Ton zulässt. Ein schönes Beispiel für die ganze Problematik ist das späte AL [[ant:1660]] bei "//mun//di crimina". Nur Benevent und Modena tradieren dieses Alleluia. Mod mit vollem Intonationstorculus, Bv mit Cephalicus, dessen Graphie unter keinen Umständen einen zweiten Ton zulässt.
  
 +Der Intonationstorculus steigt über die Quart oder Terz, unisonisch zum vorhergehenden Ton, auf. So die gängige Lehre. Wir schreiben grundsätzlich nur Quart-Torculus, um ihn in seiner Funktion besser erkennbar zu machen. Sein erster "Ton" ist so unbestimmt, er hat keine Ton"höhe". vide: RP "Peto domine" [[ant:7568]] "peccatis" in codex Wc. Vor allem siehe: CO Ecce virgo [[grad:0641]] und das “inferius' in E auf dem "ersten Ton" des Trc.
 +
 +[[ant:7443]] <fc #4682b4>"//un-i//-versum"</fc>
 +
 +[[grad:0690]] "Nemo te" Sonderfall
 ------------------------------------------------ ------------------------------------------------
-===== Torculus k – nk ===== 
  
  
-=== Akzenttorculus k ===+=== Torculus – nk ===
  
-Steht der Torculus am Wortakzent (verbum accens **<fc #4682b4>Trc akz</fc>**, so ist er immer ein kurrenter Torculus (kTrc).\\ 
  
-In [[grad:0001]] "iucun-**di-ta-tem**" folgen  Trc par - akz - fin unmittelbar aufeinander. Der Trc akz ist ein kTrc.+===  Trc acc === 
 + 
 +**<fc #008080>Akzenttorculus = verbum accens = Trc acc</fc>**\\ 
 +Steht der Torculus am Wortakzent so ist er grundsätzlich ein kurrenter Torculus (kTrc).\\ 
 + 
 +In [[grad:0001]] "iucun-//di-ta-tem//" folgen  Trc par - akz - fin unmittelbar aufeinander. Der Trc akz ist ein kTrc.
  
 aber: aber:
 [[ant:0045]],[[ant:1152]],[[ant:0110]] [[ant:0045]],[[ant:1152]],[[ant:0110]]
-==== Torculus am Satzende nk ====+=== Trc ter ===
  
-Schließt ein Torculus einen ganzen Satz, ein ganzes Stück ab, so ist er immer ein nicht-kurrenter Torculus (nkTrc) und steht ohne Rücksicht auf Akzente auf der //vorletzten// Silbe (Torculus sententiam terminans **<fc #4682b4>Trc ter</fc>)**.+**<fc #008080>Torculus am Satzende = Torculus sententiam terminans = Trc ter</fc>**\\ 
 +Schließt ein Torculus einen ganzen Satz, ein ganzes Stück ab, so ist er immer ein nicht-kurrenter Torculus (nkTrc) und steht ohne Rücksicht auf Akzente auf der //vorletzten// Silbe. 
  
  
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-===== 2-4 toniger Torculus ===== +=== 2-4 toniger Torculus === 
  
 G0480 "proxi-mae" G0480 "proxi-mae"
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 [[ant:0861]] etc. [[ant:0861]] etc.
  
 +=== CAD dt ===
 +Die Kadenz des Deuterus ist ein kTrc mit strophischem Ende, wie bei allen CAD folgt auf der Endsilbe Clv.
 +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
 +===== PORRECTUS =====  
  
 +Der Porrectus (lat. porrigere: wieder aufrichten) (**<fc #4682b4>Por</fc>**) ist eine Dreistufenneume hoch-tief-hoch.\\ 
 +Anders als der Torculus verbreitert der Porrectus eine Silbe kaum, er streckt sich auf die nächste hin aus, er treibt weiter. Man könnte ihn ein in Melodie umgesetztes [[neumen:litterae#c_-_st_-_x|statim]] nennen: obwohl er abrundet, treibt er doch mehr weiter. Der Porrectus ist grundsätzlich eine kurrente Neume, in wenigen Fällen verlangt der Kontext (ca.10%) aber einen ruhigen, nicht-kurrenten Vortrag der Neume.
 +
 +
 +In den Hss wird sie oft mit Oriscus eingeleitet (Pressus resupinus)
 +
 +In Toledo ist er unverhältnismäßig klein geschrieben, sodass er nicht leicht als solcher zu erkennen ist cf.: T1+2 [[ant:7572]]
 +
 +[[ant:0061]]
 +
 +
 +=== POR urg ===
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
-====== PORRECTUS ======   
  
-Der Porrectus (porrigere - lat.: wieder aufrichten) (**<fc #4682b4>Prr</fc>**) ist eine Dreistufenneume hoch-tief-hoch.\\  
-Anders als der Torculus verbreitert der Porrectus eine Silbe kaum, er streckt sich auf die nächste hin aus, er treibt weiter (WS).Man könnte ihn ein in Melodie umgesetztes [[neumen:litterae#c_-_st_-_x|statim]] nennen: obwohl er abrundet, treibt er noch mehr weiter. Obwohl der Porrectus grundsätzlich eine kurrente Neume ist, verlangt der Kontext in wenigen Fällen (ca.10%) einen ruhigen, nicht-kurrenten Vortrag der Neume. 
  
  
  
-In den Hss wird sie oft mit Oriscus eingeleitet (Pressus resupinus) 
  
-[[ant:0061]] 
  
  
 +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
 +===== CLIMACUS =====
 +{{ :neumen:clm_k-ia-nk.png?300|}}
 +Der Climacus (**<fc #4682b4>Clm</fc>**) ist eine Dreistufenneume hoch - tief - tiefer. Er ist eine erweiterte Clivis und beruhigt, rundet ab, vor allem verbreitert er ohne zu betonen. Er lässt Zeit zum Nachdenken. Sehr deutlich wird diese Funktion im [[cantillatio:cantillatio#exsultet|Exsultet]] am Ende jeder Prex. \\
 +▪️ Das GR kennt nur eine Form des Clm, eine Virga (Quadrata mit Hals) gefolgt von zwei Rhomben und malt damit den kClm von G ab. G + L verwenden hingegen drei Formen des Clm: kurrent - nicht kurrent und Clm mit Anfangsartikulation (climacus initio articulatus = ia). \\
 +▪️ Die Virga(-graphie) am Beginn der Neume in G bedeutet keine Mehrwertigkeit, sie zeigt den melodischen Höhepunkt an und hat den Wert der folgenden Graphie: Folgt ein Punktum (Clm - - 3) ist sie kurrent. Folgt ein Tractulus (Clm 1 2 3) ist sie nicht kurrent. Soll diese Virga nicht kurrent sein, obwohl ein Punktum folgt, muss sie episemiert sein (Clm 1 - 3). \\
 +▪️ L + Ch schreiben den letzten Ton der Neume immer endartikuliert ( L Uncinus statt Punctum, Ch Tractulus satt Punctum). Die St.Galler Tradition notiert diese Endartikulation jeder Silbe/Neume grundsätzlich nicht, sie setzt sie als selbstverständlich voraus.\\
 +▪️ Ch + MR kennen nur mehr zwei Formen des Clm k - nk, wobei Ch den mittleren Ton des Clm immer kleiner notiert als die beiden anderen, die Graphie steht also näher bei Clm 1-3 als bei Clm 123. MR verwendet verbundene (--3) und getrennte (123) Graphie, allerdings entspricht die Verwendung der beiden Formen nicht mehr eindeutig den Graphien in G + L.\\
 +▪️ A+Y und Bv kennen nur mehr eine Form des Clm. Die graphischen Unterschiede in Bv sind nur mehr melodische Hinweise, ohne artikulatorische Bedeutung. Ebenso in Ch + MR: der Abstrich indiziert ein größeres Intervall.
  
  
  
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
-====== CLIMACUS ====== 
  
-Der Climacus (**<fc #4682b4>Clm</fc>**) ist eine Dreistufenneume hoch - tief - tiefer. Er ist eine erweiterte Clivis und beruhigt, rundet ab, verbreitert. 
  
  
-Exsultet Präfation! 
  
  
  
 +=== Biv sbp ====
  
 +{{:neumen:nma_3bivsbp.png?180 |}}
 +Bivirga subpunctis, oder anders gesagt: ein Clm am ersten Ton amplifiziert. 
  
 +vide: [[cento_rp:cent_8o#auth|RP8 CENTO Ω]]\\
 +e.g.: [[ant:7059]] <fc #4682b4>"//le//-gem"</fc> 
  
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
 ====== VIERSTUFIGE NEUMEN ====== ====== VIERSTUFIGE NEUMEN ======
  
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 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
-====== Torculus resupinus ====== +==== TrcRes ==== 
-Der Torculus resupinus (**<fc #4682b4>Trc res</fc>**)+Der Torculus resupinus (**<fc #4682b4>CAD mikro</fc>**)
  
 +**<fc #ff0000>CAD mikro</fc>**
  
 +==== PorPrp ====
 +**Porrectus praepunctis**\\
 +**G-Por**
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +Der Torculus resupinus mit Anfangsartikulation wird von uns **Porrectus praepunctis** genannt, um smit dem Namen seiner Graphie zu entspreche
-===== Porrectus flexus ===== +
  
-(**<fc #4682b4>Prr flx</fc>**)+ 
 + 
 +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
 +==== Por flx ====  
 + 
 +(**<fc #4682b4>Porrectus flexus</fc>**)
 vide 0025 vide 0025
  
-Der Porrectus flexus, die „Doppelclivis“ , sorgt klar für Enttonung.                              +Der Porrectus flexus, die „Doppelclivis“ , sorgt für Enttonung.                              
  
 GJ 8.3.98 GJ 8.3.98
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-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
-===== Pes subpunctis =====     +==== PesSbp ====    
- +
-Der Pes subpunctis (**<fc #4682b4>Pes sub</fc>**) ist ein Torculus (Pes flexus), der in der selben Richtung weiterführt. Elucotorisch bezeichnet diese Neume ein nachdenkenswertes Wort. GJ umschrieb die Bedeutung dieser Neume mit "ihr werdet euch noch wundern" und "darüber könnte man eine ganze Predigt halten". Weiterer Fall [[ant:0335]]. +
  
 +Der **<fc #4682b4>Pes subpunctis</fc>** ist ein Torculus (Pes flexus), der in der selben Richtung weiterführt. Elucotorisch bezeichnet diese Neume ein nachdenkenswertes Wort. GJ umschrieb die Bedeutung dieser Neume mit "ihr werdet euch noch wundern" und "darüber könnte man eine ganze Predigt halten" cf.: [[ant:0335]], [[ant:0723]], [[ant:1180]]a. 
  
 {{ :neumen:4pes_sub.png?600 |}} {{ :neumen:4pes_sub.png?600 |}}
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 Die Artikulation der Neumen, die in L und E (C) eindeutig zu lesen ist, wird bereits in Ch weniger präzise. In Bv33 ist nur noch die Anfangsartikulation eine eigene Graphie und auch die ist nicht konsequent verwendet. Die Artikulation der Neumen, die in L und E (C) eindeutig zu lesen ist, wird bereits in Ch weniger präzise. In Bv33 ist nur noch die Anfangsartikulation eine eigene Graphie und auch die ist nicht konsequent verwendet.
  
 +–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
 +==== Clv spp ====
  
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +Die **<fc #4682b4>Clivis suprapunctis</fc>** ist eigentlich ein akzentuierter Porrectus, ein Porrectus (beschleunigend), der um eine Pesbewegung erweitert, am Ende betont wird.
-===== Clivis suprapunctis =====+
  
  
-Die Clivis suprapunctis (**<fc #4682b4>Clv spp</fc>**) ist eigentlich ein akzentuierter Porrectus, ein Porrectus (beschleunigend), der um eine Pesbewegung erweitert, am Ende betont wird. 
  
  
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- +–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
- +==== Sca flx ====   
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +
-===== Scandicus flexus =====   +
  
 Der Scandicus flexus (**<fc #4682b4>Sca flx</fc>**) ist... Der Scandicus flexus (**<fc #4682b4>Sca flx</fc>**) ist...
  
 +Der ScaFlx 1234 [[neuma:scaflx_1234|Doppelpunkt]] Scandicus flexus nicht kurrent
 +–––––––––––––––––––––––––––
 +==== Clm res ====  
  
-–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– +Der Climacus resupinus (**<fc #4682b4>ClmRes</fc>**) ist eine Neume des Protus und eher selten.   
-===== Climacus resupinus =====   +(12 Fälle im AN-OFF). Grundsätzlich ist sie kurrent, in 2 Fällen aber anfangsartikuliert.
- +
-Der Climacus resupinus (**<fc #4682b4>Clm res</fc>**) ist eine eher seltene Neume  +
-(12 Fälle im AN-OFF) und gehört zum Protus. Grundsätzlich ist sie kurrent, in 2 Fällen aber anfangsartikuliert.+
  
 Der Climacus resupinus hat eine fest umrissene elucotorische Aufgabe.  Der Climacus resupinus hat eine fest umrissene elucotorische Aufgabe. 
-Er steht auf der letzten Silbe vor dem letzten Wort eines Satzes, wenn dieser den Haupt/Zielakzent trägt.                          +Er steht auf der letzten Silbe vor dem letzten Wort eines Satzes, wenn diese den Haupt/Zielakzent trägt.  e.g.: [[grad:0035]]                        
  
-Am Schluß eines Sprachbogens kann auch der Zielakzent nur tief liegen. Seine Wichtigkeit hörbar zu machen, hebt sich die Melodie kurz vorher an und staut (im Climacus resupinus), bevor der Akzent meist im Satzende-Torculus auf der Finalis erreicht wird. +Am //Schluß// eines Sprachbogens kann auch der Zielakzent nur tief liegen. Seine Wichtigkeit hörbar zu machen, hebt sich die Melodie kurz vorher an und staut (im Climacus resupinus), bevor der Akzent meist im Satzende-Torculus auf der Finalis erreicht wird. 
  
  
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 -------------------------------------------------------------------------------------------------- --------------------------------------------------------------------------------------------------
  
-===== applicatio = circulatio ==== +==== circulatio ====   
 +{{:neumen:nma_circulatio.png?150 |}} 
 +Clivis suprapunctis flexus  (**<fc #4682b4>ClvSppFlx</fc>**)\\ 
 +GJ nennt sie das Ur-Melisma. Die formale Eingrenzung dieser Neume ist schwierig. In ihrer Grundform ist sie 5tonig/stufig und kurrent.
  
 <fc #008080>applicatio = Zuneigung</fc> <fc #008080>applicatio = Zuneigung</fc>
--------------------------------------------------------------------------------------------------- 
  
-==== applicatio PR ====  
  
-Clivis suprapunctis flexus  (**<fc #4682b4>Clv spp flx</fc>**) 
  
-Diese Fünfstufenneume  
  
 +circulatio\\
 +circulatio2\\
 +circulatio urgens.\\
 +[[ant:7746]]  "vel iudam" circulatio urgens. Das Portamento hat keine bestimmte Tonhöhe cf.: Tableau et MR !
  
 +[[nma_indiv:circulatio|↘️]]
  
-{{:cento_an:gph_pr1_fml_applicatio_0.jpg |}}+---------
  
-{{ :cento_an:0024_fml_applicatio.jpg?400|}}+==== Sca4 flx ====  
 +{{:neumen:nma_5sca4flx.png?150 |}} 
 +(**<fc #4682b4>Sca4 flx</fc>**) Die Neume ist mehrmals die Eröffnung des Cento E im RP8.
  
-Die formale Eingrenzung dieser Neume ist schwierig. In ihrer Grundform ist sie 5tönig, eine kurrente Clivis suprapunctis flexus, die jedoch in MR meist als Porrectus flexus 4tönig mit Quilisma notiert ist. +--------------------------------------
  
-Auch H kennt diese Notation [[ant:1899]], [[ant:1900]]), dann aber immer mit episemierten Clives. Man kann also annehmen, dass vergleichbar Bivirga und Tristropha hier eine kurrente und nicht kurrente Form der selben Neume vorliegt: die selbe Dauer bei unterschiedlicher Schwere [[ant:0055]].+==== PesSbpRes ==== 
  
-{{:cento_an:gph_pr1_fml_applicatio_1.jpg?300 |}}+(Pes sbp res)
  
-Die Neume kann aber auch eine kurrente Bewegung, ein portamento vorgesetzt haben: "applicatio urgens", wohl ein unisonischer Anschluss zum vorherigen Ton. Ob dieser unisonische Anschluss auch in der Mediatio der 2.Zeile der O-Antiphonen giltist nicht zu belegen.  +**<fc #ff0000>P-Kadenz</fc>** obwohl nur ein Ton anders (weniger) ist als in der S-Kadenz, hat sie eine völlig andere Bedeutung als dieseP-Kadenz ist abschließend, die S-Kadenz eröffnend weiterweisend.
-Einige Male wird die Neume auch auf zwei Silben aufgeteilt+
  
-{{ :cento_an:1061_fml_applicatio.jpg?400|}}+-------------------------------------------------------------------------------------------------- 
 +==== Sca sbp ==== 
  
-In Antiphonen des 1.Modus (PR1steht sie am Ende des Cento INC 5Pes, wenn die Rezitationsebene "la" heruntertransformiert wird zum "sol". Die "Clivis suprapunctis flexus" ist dann erweitert zur 6tönigen "Clivis suprapunctis subpunctis". Auch hier ist die Frage zu stellen, ob der Oriscus am Ende ein eigener Ton sein soll, oder bloß Signal, einen neuen Cento zu beginnen. Das vorliegende Beispiel 0776 ist durchaus repräsentativ: Fast alle schreiben ein 7. Zeichen, die meisten ein Oriscus-Zeichen (!?). In Kl und Bv21 hat die Neume nur 6 Töne (!).+(Sca sbp)
  
-Auch die Namensgebung ist schwierig. Die formelhafte Verwendung der Neume im 1.Modus INC 5Pes verbietet für GJ eine emotional relevante Benennung. Er nennt sie "Urmelisma". Uns erscheint sie jedoch sehr wohl auf eine emotionale Hinwendung zu einer Person oder Sache hinzuweisen. Wir nennen sie daher "applicatio".+--------------------------------------
  
-In MR ist diese Neume nicht selten mit Clv und Trc i.d. notiert [[grad:0045]] "in con-**spec**-tu tuo". Das spricht ebenfalls für die Kurrenz. +==== Clm 5g ==== 
--------------------------------------------------------------------------------------------------- +
-==== applicatio TT ====+
  
-Die **NMA appl** (Neume der Zuneigung), die auch im **PROTUS** vorkommt, ist konstitutiver Bestandteil des **[[cento_an:tt8_nov#nov_princ | 8NOV princ]]**.+(Sca cum 5 gradu) 
 +Eine Neume, die wohl nicht zum authentischen Choral gehört.
  
--------------------------------------------------------------------------------------------------- 
-===== Pes subpunctis resupinus=====  
  
-(Pes sbp res)+==== ScaFlxR ==== 
  
--------------------------------------------------------------------------------------------------- +Scandicus flexus resupinus
-===== Scandicus subpunctis ===== +
  
-(Sca sbp) 
  
  
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 -------------------------------------------------------------------------------------------------- --------------------------------------------------------------------------------------------------
  
-===== Sca sbp res =====  +==== Sca sbp res ====  
  
-[[ant:2203]] +**<fc #ff0000>CAD mega</fc>** 
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+[[ant:7167]] "legi-//time//", [[grad:0747]] "//die//" etc.
  
-===== Pes sbp res flx =====  + 
 +{{ :neumen:cad_mega.png?270|}} 
 +Diese Neume bildet mit der üblich folgenden Clivis die häufigste Kadenz des Repertoires. In St.Gallen ist sie immer am Gipfelton artikuliert (Virga mit Episem), die beiden Töne davor sind fast immer mit Punktum notiert, das heißt, sie beschleunigen zum Gipfelton hin. 
 +Sehr selten wird die CAD mit Strichlein (Tractulusgraphien) eingeleitet. Die gesamte CAD ist dann breit(er) zu nehmen a.e.: [[grad:0011]].\\ 
 +MR schreibt an Stelle des einleitenden Sca einen Pes quilismaticus. Es handelt sich dabei nicht um eine andere Neume, sondern man könnte den qPes in MR als die nicht kurrente Form, des sehr kurrenten Sca in St.Gallen bezeichnen. Nicht verwechseln sollte man diese Neume mit der CAD micro.\\ 
 +Über diesen Unterschied an der grundsätzlich selben Neume hinaus, verwendet MR sehr oft an Stellen, wo St.Gallen  CAD mega schreibt  CAD micro. Möglicherweise manifestiert sich hier eine Diskrepanz zwischen westlicher frOc-Tradition und östlicher frOr-Tradition. 
 + 
 +Die CAD mega steht vor allem im Mess-Repertoire keineswegs nur am Ende, sie kann ein wichtiges Wort innerhalb des Satzes, oder auch am Anfang abrunden, ausbreiten, a.e.: [[grad:0686]], [[grad:0689]], [[grad:0710]]. 
 + 
 +Die **CAD mega D** (über die große Terz Dur) ist die Kadenz des 5., 6., 7. und 8. Modus.\\ 
 +Die **CAD mega m** (über die kleine Terz = moll) ist die Kadenz des 1. und 2. Modus.\\ 
 +Im 3. und 4. Modus nimmt diese Funktion die **CAD dt** ein. 
 + 
 +[[ant:7335]] <fc #4682b4>"//mun//-di"</fc>  nk Einstieg ! 
 +––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
 + 
 +==== Pes sbp res flx ====  
  
 Trc+Trc mit Osc verbunden Trc+Trc mit Osc verbunden
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 [[ant:1028]]  "me" [[ant:1028]]  "me"
-––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––+––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
 +==== Pes sbp spp ====   
 + 
 +**<fc #ff0000>verb 8</fc>** 
 + 
 +Hebt im 8. Modus ein wichtiges Wort hervor. Steht üblicherweise in Verbindung mit Cento Ω. 
 + 
 + 
 + 
 +–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
 +==== Por sbp res  ====   
 +{{:neumen:nma_6porsbpres.png?200 |}} 
 + 
 + 
 +Leitet im Cento RP8 Ω mehrmals INCCAD ein, wenn darauf ein PO folgt. Folgt PPO, so übernimmt diese Aufgabe die [[neumen:neuma#:bivisbp |Bivirga subpunctis]]. 
 + 
 + 
 + 
 + 
 +–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 
 +====== SIEBENSTUFIGE NEUMEN ====== 
 + 
 + 
 +==== Clv spp sbp res ====   
 + 
 +**<fc #ff0000>CAD dt mega</fc>** 
 + 
 +CAD- Formel der Responsorien des 3.Modus 
 + 
 + 
 + 
 + 
 + 
 +-------------------------------------------------------------------------------------------------- 
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