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gradual:comp_ant

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gradual:comp_ant [2018/09/22 12:32]
xaverkainzbauer [6. Conclusio]
gradual:comp_ant [2020/11/19 19:15] (aktuell)
xaverkainzbauer [DIE OFF-Antiphonen des PROTUS authenticus]
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-====== DIE OFF-Antiphonen des PROTUS authenticus ======+====== DIE OF-Antiphonen des PROTUS authenticus ======
  
 eine centologische Untersuchung  -  Xaver Kainzbauer eine centologische Untersuchung  -  Xaver Kainzbauer
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 <fc #4682b4>Paolo Ferretti</fc> entwickelt Anfang 20.Jh. ausgehend von den Akzenten der lateinischen Sprache eine allgemeine melodische „Esthetik“. Seine Basis ist die editio typica von Solesmes. Er kennt Centones und unterscheidet Intonatio, Zentralformel und Finalis. Seine Beispiele stammen aus den Offiziumsantiphonen des 1.Modus und er zählt die meisten der Centones auf, ohne sie zu deuten. <fc #4682b4>Paolo Ferretti</fc> entwickelt Anfang 20.Jh. ausgehend von den Akzenten der lateinischen Sprache eine allgemeine melodische „Esthetik“. Seine Basis ist die editio typica von Solesmes. Er kennt Centones und unterscheidet Intonatio, Zentralformel und Finalis. Seine Beispiele stammen aus den Offiziumsantiphonen des 1.Modus und er zählt die meisten der Centones auf, ohne sie zu deuten.
  
-Unser neuerlicher Versuch der Centoanalyse geht in sechs Schritten vor:+Unser neuerlicher Versuch der Centoanalyse geht in fünf Schritten vor:
  
 1) Wir erstellten eine <fc #ff0000>digitale Bibliothek</fc> des Offiziums- und des Messrepertoires, wobei für die Antiphonen 14 wesentliche und vor allem älteste Handschriften ausgewählt wurden, dazu die 10 Codices des CAO. Dabei ist codex Hartker, gegen das Jahr 1000  geschrieben, adiastematisch und mit detaillierter Neumierung, zweifelsfrei die wichtigste Quelle. Aber auch der bisher wenig berücksichtigte codex Mont Renaud, adiastematisch 10. Jahrhundert, wird einbezogen.  Weiters werden ihre etwa 200 Jahre jüngeren Tochterhandschriften verwendet, für Hartker Karlsruhe 60  und für Mont Renaud Worcester 160. Die wichtigsten Zeugen der beginnenden Diastemie sind die Aquitanier Toledo 44.1 und Toledo 44.2 des 11. Jahrhunderts. Weiters wichtig ist die beneventanische Tradition mit Benevent 19/20, Benevent 21, dazu Monte Cassino. Hinzugezogen haben wir auch die bisher eher vernachlässigte  Zisterziensertradition mit codex Zwettl 399/402, und diese inzwischen ergänzt um den ältesten codex dieser Tradition Westmalle. Das Antiphonale Monasticum von 2005-07 beruft sich auch auf die Pariser Handschriften St.Maur fossés und St.Denis (BNP 12584, 12044, 17296), also haben wir diese auch dazugenommen. Weiters finden sich noch Lucca 601 und die zusätzlichen codices des CAO Durham, Ivrea, Monza, Verona, Silos; und die zur St.Galler Tradition gehörenden Handschriften Bamberg und Rheinau, ergänzt um Quedlinburg. Die Antiphonen wurden in der Reihenfolge des codex Harter durchnummeriert.  1) Wir erstellten eine <fc #ff0000>digitale Bibliothek</fc> des Offiziums- und des Messrepertoires, wobei für die Antiphonen 14 wesentliche und vor allem älteste Handschriften ausgewählt wurden, dazu die 10 Codices des CAO. Dabei ist codex Hartker, gegen das Jahr 1000  geschrieben, adiastematisch und mit detaillierter Neumierung, zweifelsfrei die wichtigste Quelle. Aber auch der bisher wenig berücksichtigte codex Mont Renaud, adiastematisch 10. Jahrhundert, wird einbezogen.  Weiters werden ihre etwa 200 Jahre jüngeren Tochterhandschriften verwendet, für Hartker Karlsruhe 60  und für Mont Renaud Worcester 160. Die wichtigsten Zeugen der beginnenden Diastemie sind die Aquitanier Toledo 44.1 und Toledo 44.2 des 11. Jahrhunderts. Weiters wichtig ist die beneventanische Tradition mit Benevent 19/20, Benevent 21, dazu Monte Cassino. Hinzugezogen haben wir auch die bisher eher vernachlässigte  Zisterziensertradition mit codex Zwettl 399/402, und diese inzwischen ergänzt um den ältesten codex dieser Tradition Westmalle. Das Antiphonale Monasticum von 2005-07 beruft sich auch auf die Pariser Handschriften St.Maur fossés und St.Denis (BNP 12584, 12044, 17296), also haben wir diese auch dazugenommen. Weiters finden sich noch Lucca 601 und die zusätzlichen codices des CAO Durham, Ivrea, Monza, Verona, Silos; und die zur St.Galler Tradition gehörenden Handschriften Bamberg und Rheinau, ergänzt um Quedlinburg. Die Antiphonen wurden in der Reihenfolge des codex Harter durchnummeriert. 
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 Auch einzelne <fc #ff0000>NEUMEN</fc> (eine Neume ist eine Silbe), übernehmen formelhafte Aufgaben, dabei ist die Grenze zwischen Formel und Neume fließend. Auch einzelne <fc #ff0000>NEUMEN</fc> (eine Neume ist eine Silbe), übernehmen formelhafte Aufgaben, dabei ist die Grenze zwischen Formel und Neume fließend.
  
-Die nun folgenden Ausführungen zur centologischen Struktur der Offiziums-Antiphonen im 1.Modus, zu ihrer "Sprachlogik", leben von der Evidenz in die Quellen, die Tableaus, und die Cento-Tabellen. Die Nutzung der Website +Die nun folgenden Ausführungen zur centologischen Struktur der Offiziums-Antiphonen im 1.Modus, zu ihrer "Sprachlogik", leben von der Evidenz in die Quellen, die Tableaus, und die Cento-Tabellen. Die Nutzung unserer Website wird in ein weiterführendes Verständnis dieses Artikels ermöglichen.  
-wird in ein tieferes Verständnis dieses Artikels führen+www.omnigreg.at - synopsis wiki - antiphonale - rechts oben im Feld "SUCHE" die Nummer der Antiphon eingeben.
  
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 Soll die Antiphon ruhig, breit ausfließen, so wird der Pes „mi-fa“ zur Clivis „fa-mi“ verändert . Soll die Antiphon ruhig, breit ausfließen, so wird der Pes „mi-fa“ zur Clivis „fa-mi“ verändert .
 **<fc #540387>1TER Clv</fc>** **<fc #540387>1TER Clv</fc>**
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 ==== 1.4. Terminatio mit nachgestelltem Wort ==== ==== 1.4. Terminatio mit nachgestelltem Wort ====
  {{ :cento_an:0073_1ter_verb.add.png?400|}}  {{ :cento_an:0073_1ter_verb.add.png?400|}}
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-===== 6. Conclusio =====+===== 6. CONCLUSIO =====
  
-historische Entwicklung +Der Gregorianische Choral hat eine mehr als 500jährige Geschichte und damit auch Entwicklung. Die Vorstellung (opinio communis), Choral sei all diese Zeit immer eines gewesen, von leicht korrigierbaren Rändern abgesehen immer das unwandelbar Selbe, wie wir es aus den Handschriften des 13. Jahrhunderts singen könnten, ist geschichtslos fundamentalistisch. Schon im codex Hartker gibt es Antiphonen, die nicht mehr der ars cantilenae entsprechen (z.B die Trinitatis-Antiphon [[ant:0506]]). In ihnen werden nicht mehr die Regeln einer Sprachkunst angewendet, sondern das vorhandene Floskelmaterial wird frei/subjektiv //phantasiert//.\\
-auch schon in Hartker zu-spät-Antiphonen [[ant:0506]]+
  
-Die Analyse der OFF-Antiphonen des Protus authenticus hat ein Fenster auf die ars cantilenae in den Antiphonen durchaus überschaubare Versatzstücke+Die authentischen Antiphonen sind nach einem konsequent angewendeten Regelsystem //komponiert//, das der Textstruktur //ent-spricht//, das dem sinnhaftig vorgetragenen Text //ent-klingt//. Dieses logische Regelsystem ist es, das Helisachar unter //ars cantilenae// versteht.
  
 +Bei der Analyse der Regeln sind, quasi als Abfallprodukt, einige weitreichende paleographisch/semiologische Erkenntnisse neu gewonnen, oder alte zumindest vertieft worden. Sie folgen hier: 
  
 +a) Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note, sie hört mit der letzten auf (grundsätzliche Endartilulation der Neume, des Cento, des Typos). Wir müssen neu lernen, die Dinge vom Ende her zu denken.\\
  
- +b) Eine Neume ist nicht durch die Anzahl der Noten bestimmt (eine Sicht der cantilena, die durch den Primat der Klaviertaste in unserer Musikpraxis vergiftet ist), sondern durch die Anzahl der Stufen (ein/zwei/dreitoniger Pes).\\
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- +
-• Eine Neume beginnt nicht mit der ersten Note, sie hört mit der letzten auf (grundsätzliche Endartilulation der Neume, des Cento, des Typos). Wir müssen neu lernen, die Dinge vom Ende her zu denken.\\ +
- +
-• Eine Neume ist nicht durch die Anzahl der Noten bestimmt (eine Sicht der cantilena, die durch den Primat der Klaviertaste in unserer Musikpraxis vergiftet ist), sondern durch die Anzahl der Stufen (ein/zwei/dreitoniger Pes).\\+
  
   3) L.Agustoni/J.B.Göschl, Einführung in die Interpretation des Gregorianischen Chorals, Band 1. S.33,    3) L.Agustoni/J.B.Göschl, Einführung in die Interpretation des Gregorianischen Chorals, Band 1. S.33, 
   Regensburg 1992.   Regensburg 1992.
    
-• Damit conform muss "initio debilis" ernstgenommen werden: Der kPes (zweiton) auf der Binnensilbe des PPO ist eher eine Virga urgens (einton), bloß ein Portamento.\\+c) Gleichzeitig muss "initio debilis" ernstgenommen werden: Der kPes (zweiton) auf der Binnensilbe des PPO ist eher eine Virga urgens (einton), bloß ein Portamento.\\
  
-• Die Liqueszenz bildet nie einen (kleinen) Nebenton, sie verhindert ihn.\\+d) Die Liqueszenz bildet nie einen (kleinen) Nebenton, sie verhindert ihn.\\
  
-• Das Quilisma ist kein Ton, es ist ein a=altius (singe höher als üblicherweise!), ein Tonhöhenhinweis in Zeiten der Adiastemie.\\+e) Das Quilisma ist kein Ton, es ist ein a=altius (singe höher als üblicherweise!), ein Tonhöhenhinweis in Zeiten der Adiastemie.\\
  
-• Der Oriscus ist ein "Achtung"-Zeichen in vielen unterschiedlichen Kontexten. Er kann an Stelle einer Virga stehen, oder zusätzlich dazu. Wie weit es ein Zeichen der Semiologie ist und den Sprachbogen betrifft (G.Joppich), oder ein centologisches Zeichen ist (Hinweis auf die kompositorische Struktur), wird künftige Forschung zeigen. Semiologie und Centologie (Sprachbogen und Melodieverlauf, Text und Musik) sind nur die zwei Seiten der selben Münze.\\ +f) Der Oriscus ist ein "Achtung"-Zeichen in vielen unterschiedlichen Kontexten. Er kann an Stelle einer Virga stehen, oder zusätzlich dazu. Wie weit es ein Zeichen der Semiologie ist und den Sprachbogen betrifft (G.Joppich), oder ein centologisches Zeichen ist (Hinweis auf die kompositorische Struktur), wird künftige Forschung zeigen. Semiologie und Centologie (Sprachbogen und Melodieverlauf, Text und Musik) sind nur die zwei Seiten der selben Münze.\\
- +
-• Eine Formel //neben// ihrem eigentlichen Zielton enden zu lassen, ist weiterführend: Doppelpunkt.\\ +
- +
-Im Übergang von der Gedächtniskultur des Frühmittelalters (eigentliche Gregorianik) zur Diastemie (2.Gregorianik) sind die adiastematischen Handschriften des 10. Jahrhunderts unser Zugang zum ursprünglichen Choral. +
-  +
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-Missverständnisse+
  
 +g) Eine Formel //neben// ihrem eigentlichen Zielton enden zu lassen, ist weiterführend: Doppelpunkt.\\
  
 +Im Übergang von der Gedächtniskultur des Frühmittelalters (authentische Gregorianik) zur Diastemie (2.Gregorianik) sind die adiastematischen Handschriften des 10. Jahrhunderts, zu allererst Hartker, unser Zugang zum ursprünglichen Choral. Die vorliegende Untersuchung hat, im Bild archeologischer Grabungen gesprochen, einen kleinen Flecken im weiten Feld der //ars cantilenae// freigelegt.
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-===== EXEMPLA =====+ 
 +===== 7. EXEMPLA =====
gradual/comp_ant.1537619552.txt.gz · Zuletzt geändert: 2018/09/22 12:32 von xaverkainzbauer